Home

Archiv Konzerte Archiv Chorreisen Verschiedenes

aus dem Schwarzwälder Boten vom 23.11.2004

Der Trost für die Lebenden triumphiert über die Trauer

Großartige Aufführung des Brahms-Requiems mit der evangelischen Kantorei in der Nagolder Stadtkirche


Nagold. Die Stadtkirche war voll, die Zuhörer gespannt, als die evangelische Kantorei am Sonntag zu einem viel versprechenden Konzert einlud. Das Programm war, wie die Thematik des Abends, höchst anspruchsvoll: "Ein Deutsches Requiem" von Brahms, sowie zur Einstimmung "Fratres", ein Stück des zeitgenössischen Komponisten Arvo Pärt für Streichorchester und Schlagzeug. Ja, es war tatsächlich eine Einstimmung, als die Baden-Badener Philharmoniker auf ihren Stühlen saßen, der Chor seinen Platz auf den Podesten eingenommen hatte, Dirigent Stefan Skobowsky den Taktstock hob und wie aus dem Nichts das Schlagzeug leise anklopfte. Im verhaltendsten Pianissimo setzten dann die Streicher an und ließen die meditativen Klänge, ganz im Sinne der Minimal Music, sich aufbauschen und wieder im Nichts verschwinden, immer untermalt von einer leeren Bassquint und dem ruhigen Motiv des Schlagzeugs bestätigt. Es folgte das Hauptwerk des Abends. "Ein Deutsches Requiem". Es handelt sich bei diesem Stück zweifellos nicht um ein "herkömmliches" Requiem. Schon allein dass der Text auf Deutsch gesungen wird, macht es zu etwas Besonderen. Brahms verwendet statt dem lateinischen Text Bibelstellen aus dem Alten Testament, wodurch nicht, wie üblich, die Totenklage im Mittelpunkt steht, sondern der Trost für die Lebenden und Leidtragenden. Dies wird schon im ersten Teil des Requiems verdeutlicht: "Selig sind die, die da Leid tragen." Der Kirchenraum wurde erfüllt von den eigentümlich zuversichtlichen Klängen des ersten Satzes, dem Wechselgesang zwischen Chor und Bläsern und den von Brahms so raffiniert gesetzten Harmonien. Der anfangs einem Trauermarsch ähnelnde zweite Satz, der die Ausweglosigkeit des menschlichen Schicksals thematisiert, wurde von den Musizierenden gut umgesetzt. Allerdings meinte es das Orchester an einigen lauten Stellen ein wenig zu gut, sodass der durchaus volle Klangkörper des Chores etwas übertönt wurde. Im dritten Teil kam die ausdrucksstarke Bassstimme des Solisten Markus Flaig wunderschön zur Geltung, der mit perfekter Aussprache die Vertonung des 39. Psalms vortrug und mit seiner Musikalität den Chor hörbar mitriss, als dieser in den Gesang mit einfiel. Ein überaus lieblicher Satz ist der vierte des Requiems: In einer schlichten Rondoform besingt der Chor die "lieblichen Wohnungen" des Herrn Zebaoth. Die prächtige Stimme von Jeanette Bühler überzeugte wieder einmal bei deren Auftritt im fünften Teil, einfühlsam begleitet von einer kammermusikalischen Orchesterbesetzung und dem feinfühlig singenden Chor. Der wohl bekannteste Satz des Werkes ist der sechste, der mit steigerndem Tempo und unruhiger Dynamik den Sieg Gottes über den Tod verkörpert. Er wurde von den Sängern so glaubhaft umgesetzt, dass im Fortissimo selbst das Orchester mit seiner Lautstärke nicht dagegen ankam. Brahms stellt schließlich im letzten Teil einen bewussten Bezug zum Anfang her, indem er sowohl textliche als auch musikalische Elemente wieder verwendet. "Feierlich", wie dieser siebte Satz überschrieben ist, endet das Stück. Eine großartige Leistung des Orchesters, der Kantorei und nicht Zuletzt des Nagolder Kantors Stefan Skobowsky, dem es gelang, dass die beiden sich doch recht fremden Ensembles nicht aus den Fugen gerieten. Schön, dass der tosende Beifall nicht kurz nach dem letzten Akkord des doch so tiefgründigen Musikstücks erklang, sondern dass sich nach dieser gelungenen Aufführung erst einige Momente der Ruhe und Besinnlichkeit ausbreiten konnten.

Anna-Katharina Kalmbach

Home

Archiv Konzerte Archiv Chorreisen Verschiedenes